Geschichten vom Franz
Was macht man, wenn man gar so klein ist? Den Kopf voller Ringellocken und einen rosa Kirschmund hat? Wenn einem bei der geringsten Aufregung die Stimme zu piepsen beginnt und daher ein jeder glaubt, dass man ein Mädchen ist?
Sogar die Gemüsefrau plärrt einem ihr immer fröhliches: »Grüß Gott, kleines Mädchen« entgegen. Und der Mann im Kiosk nennt einen nur »kleines Fräulein«.
Ach Gott!
Da tröstet es nicht, dass auch der Papa als Kind wie ein Mädchen ausgesehen hat. Wie auch?
Doch wenn gar nichts mehr hilft und einem keiner verstehen will, dann muss man sich eben selbst zu helfen wissen. Etwa indem man sich, ratzeputz, den Kopf kahl rasiert.
Mit dieser Figur ist Christine Nöstlinger ein ähnlich großer Wurf geglückt wie A. Lindgren mit dem Michel aus Lönneberga. Denn mir ist außer dem Franz niemand bekannt, der so authentisch aus seinem Leben berichtet. Mit einfachen Geschichten zu allen Themen, die für Jungs so wichtig sind.
Freundschaft, Schule und die Liebe. Geschwister, die auf einem rumtrampeln und Lehrer, die so rein gar nichts verstehen. Geschichten über den Opa, Pferde, Babys, Hunde und noch vieles mehr.
Der Franz.
Der Franz liebt die Gabi. Die Gabi liebt ihn auch. Jedenfalls manchmal. Glaubt der Franz halt. Denn mit der Gabi hat er es schwer, und das nicht nur, weil sie so ein Biest sein kann.
Der Franz mit seinem großen Bruder. Josef. Dessen größter Spaß es ist, auf dem Franz herumzutrampeln. Der aber ansonsten vom »Kurzen« nur seine Ruhe haben will.
Der Franz mit seinem Erzfeind, den Eberhard. Der ihn Liliputaner nennt und das Pausenbrot ins Gesicht klatscht. Und gegen den ihm niemand helfen kann. Nicht die Mama, nicht der Papa, nicht einmal sein großer Bruder.
Niemand? Na ja, der Franz hat ja noch die Lilli, die ihn jeden Nachmittag betreut, wenn die Eltern nicht da sind. Und die hätte da schon eine Idee.
Aber was genau das war, und vieles andere mehr, müsst ihr schon selber lesen. Nur so viel: heute ist der Eberhard der beste Freund vom Franz. Auch wenn ihn die Gabi nach wie vor einen großen, dicken Erzdeppen schimpft.
Nur eines noch: die Gabi. Die liebt er nämlich, der Franz. Das wissen wir ja schon. Jedenfalls liebt er sie ein bisschen. Das darf zwar niemand erfahren, vor allem nicht die Gabi, aber als sie möchte, dass er seine Locken wieder wachsen lässt, da macht er das. Einfach so.
Denn man kann auch anders zeigen, dass man ein Junge ist. Mit großen Stiefeln etwa, oder indem man sich eine Krawatte umhängt und am Gürtel Zange, Bohrer und Schraubenzieher trägt. Denn wer ist denn schon so ein Erzdepp und glaubt, dass ein Mädchen sich so kleiden würde?
Dieser Franz ist kein Superheld. In seiner Welt gibt es keine Zauberei oder Einhörner und er flüchtet auch in kein phantastisches Reich. Aber gerade das gibt seinen Geschichten eine solche Kraft. Dass er unseren Kindern zeigt, dass es abseits von all den Bildern aus Fernsehen und Internet ein ganz normales Leben gibt. Mit allen Ecken und Kanten, die das Leben ausmachen. Und das um so viel schöner und Wertvolleres ist als das, welches ihnen die Medien heute vorgaukeln.