Die Jogginghose: Effizient, respektlos oder Kult?

von Marion Rissart

Die Jogging-hose: Effizient, respekt-los oder Kult?

von Marion Rissart

Der Tag der Jogginghose – ja, den gibt es wirklich: 21. Januar, nicht vergessen! Und jeder stellt sich folgende Frage: Wie konnte es geschehen, dass die einstige Lümmel-Hose salonfähig wurde?

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Erst trugen sie nur Sportler, dann (auch) Mr.President

Der Erfinder der Ur-Hose war ein Franzose mit Namen Emile Camuse. Dem sportbegeisterten Gründer und Designer der Sportmarke »Le Sportif« waren zu erkalten drohende Muskeln ein Gräuel. Darum ersann er in 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts ein gestricktes, ausgebeultes Kleidungsstück, das der Athlet über sein normales Trikot anziehen konnte. Zuerst nur für den Sport gedacht, eroberte sich die Jogginghose mit an Unverschämtheit grenzender Beharrlichkeit die Herzen und Popos der westlichen Welt. Wenn sich schon der US-Präsident Ronald Reagan in der ›Airforce One‹ im grauen Jogger ablichten ließ, als hätte man ihn vom Fernsehsessel aufgescheucht, dann konnte Otto-Normal-Bürger das erst recht – ohne Sport zu treiben, versteht sich!

Kann man mit Jogginghose bei den Mädchen landen?

Erfolgreich viral ging die Jogginghose 2010 über Facebook mit 600 000 Followern, als vier Grazer Schüler über diesen Kanal dafür plädierten, wenigstens einen Tag im Leben auf Leisure zu machen. Ein Jahr zuvor waren sie bereits an Fasching mit der Hose zur Schule gegangen. Danach fiel der 21. Januar allerdings in die Ferien. Die Jungs aber hatten Blut geleckt und wollten das Tragegefühl von nun an jedes Jahr. Einer der Mitbegründer des »Tags der Jogginhose«, Alexander Painsi, lief sogar in seinem Auslandssemester finnischen Mädels mit seiner quietschgelben Jogginghose entgegen. Ob er in diesem Outfit erfolgreich bei ihnen landen konnte, erzählte er aber nicht …

© Beatriz Braga

Zwanglosigkeit ist eine große Lebenslüge

Doch gibt es auch Gegenwind? Viele von uns kennen den von Karl Lagerfeld geäußerten Spruch, ein Mensch im Jogger hätte die Kontrolle über sein Leben verloren. Ob er das wirklich so sagte (Karl redete schließlich oft, gerne und viel), sei dahingestellt. Aber interessanterweise gibt es auch von anderen Personen mit Stil Schützenhilfe: Der Wiener Kurator und Sammler Gerald Matt ist ein Mann, dem man in dieser Hinsicht nichts vormachen kann. Nicht nur, dass sein Krawattensortiment an die 4000 Stück umfasst (sogar welche von Robert Mitchum aus den 40er-Jahren sind darunter), sondern er ging bereits als Jüngling mit elegantem Anzug in Clubs. Bei der Damenwelt zu landen, war kein Problem (behauptet er zumindest). Ihn ärgert, dass die sogenannte Zwanglosigkeit in der Freizeit- und Bequemlichkeitsgesellschaft eine große Lebenslüge sei. Die Leute, so erzählte Matt der Süddeutschen Zeitung, hätten nicht nur ihren Respekt vor Kleidung und dem entsprechenden Anlass verloren, sondern vermengten sich zu einem funktionierenden Teil einer Effizienzgesellschaft.

Immer mit Stil, © MariaOrlova

Oscar Wilde, © janeb13

Mark Zuckerberg plädiert für mausgrau, aber ohne Jogger

Bei Effizienz kommt mir Mark Zuckerberg in den Sinn, der sich mit seinen grauen T-Shirts (allerdings keine Jogger) minimalistisch gibt. Weil er meint, erst dann die Energie zu besitzen, sich auf die wirklich wichtigen Dinge zu konzentrieren. Während Kurator Matt immer Haltung zeigt, wenn er kurzfristig verreisen sollte (Sommer- bzw. Winteranzug nebst Schuhen passen in einen Koffer, dazu Smoking für spezielle Anlässe), schlüpft Facebook-Erfinder Zuckerberg in die Rolle von Momos kleinen grauen Herren. Vielleicht ist ihm einfach Loriots Graukollektion aus dem Film Ödipussi in die Hände gefallen. Mausgrau, Staubgrau, Aschgrau, Steingrau, Bleigrau, Zementgrau – frei nach dem Motto: »Cool zu sein bedarf es wenig, und wer grau trägt, ist ein König.«

Oder er hat vielleicht einfach nur Angst davor, die Welt in einem gleißenden Farbfilm zu sehen …