Der Rattenfänger

 

von Andrea Strobl

Der Ratten-fänger

von Andrea Strobl

In Deutschland gibt es eine Stadt, die heißt Hameln und liegt an einem großen Fluss, der Weser. Vor vielen hundert Jahren hat sich dort eine Geschichte ereignet, die ein wenig schaurig ist:

Die Stadt wurde nämlich eines Tages von einer Rattenplage befallen. Überall breiteten sich die lästigen Nagetiere aus, drangen in Häuser ein, fraßen sich durch Speisekammern, liefen auf Tischen und Bänken herum und versetzten die Menschen in Angst und Schrecken. Die Stadtoberhäupter beschlossen, einem Rattenfänger den Auftrag zu geben, die Bewohner von den pelzigen Nagern zu befreien. Daraufhin meldete sich ein etwas wundersam aussehender Mann, den man, weil er ein so schönes, buntes Gewand trug, kurzerhand Bunting nannte. Er behauptete, ein Rattenfänger zu sein, und so versprach man ihm einen angemessenen Lohn, sollte er den Auftrag erfolgreich ausführen.

Brüder Grimm – Der Rattenfänger von Hameln; Zeichner: Oskar Herrfurth; Sammlung Prof. Dr. Sabine Giesbrecht; CC1.0; http://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:gbv:700-2-0016899-4

Alsbald nahm der wunderliche Mann seine kleine Flöte zur Hand und begann, eine ganz wunderschöne Melodie zu spielen. Sein Spiel ertönte überall in den Straßen der Stadt, und wo immer er vorbeikam, krochen die Ratten aus den Häusern, Winkeln und Gassen hervor und folgten ihm auf dem Fuße, von seiner Musik wie verzaubert. Bunting aber führte die Ratten hinab zur Weser und ging ein paar Schritte ins Wasser. Auch dahin folgte ihm die Rattenschar – und ertrank jämmerlich in den Fluten.

Endlich konnten die Menschen in  Hameln aufatmen! Aber die Stadtobersten wollten nun – geizig, wie sie waren – nicht mehr zu ihrem Wort stehen, verweigerten dem Rattenfänger hochmütig seinen Lohn und jagten ihn aus der Stadt hinaus.

Einige Zeit später, am Johannis- und Paulustag, als die Erwachsenen in der Kirche die Messe besuchten, kam der Fremde – diesmal ganz in Grün gekleidet – zurück in die Stadt und begann von Neuem mit seinen betörenden Flötenklängen. Die Kinder wurden neugierig und liefen ihm tanzend und lachend hinterher. Er führte sie aus der Stadt heraus , über Wiesen und durch Wälder, bis sie zu einem Berg kamen, wo sie verschwanden und von da an nie mehr gesehen wurden.

Das war die Geschichte der bitteren Rache des Rattenfängers, den man so schäbig um seinen gerechten Lohn betrogen hatte …

Wie man sich danach erzählte, sollen nur drei Kinder übriggeblieben sein: Eines war lahm und konnte nicht schnell genug laufen, das andere war taub und hörte die Musik nicht, und ein weiteres war blind und konnte nicht sehen, wohin die Kinder der Stadt liefen – aber die drei berichteten den Stadtbewohnern von dem seltsamen Mann und den Kindern, die ihm gefolgt waren.

 

Die Geschichte vom Rattenfänger von Hameln wurde von vielen Menschen aufgeschrieben und weitererzählt. Ihr kennt sie vielleicht aus den Märchenbüchern der Brüder Grimm. Manche wollen von einem besseren Ende wissen und berichteten, dass die Kinder nicht vom Berg verschluckt wurden, sondern in ein wunderschönes Land namens Siebenbürgen geführt wurden und dort glücklich und zufrieden weiterlebten.

 

Aber all das ist schon so lange her, dass man nicht mehr sicher wissen kann, ob es nur eine Legende, also so eine Art Märchen,  oder tatsächlich eine wahre Geschichte ist.

Egal, ob es die Rattenplage, den seltsamen Flötenspieler oder die geizigen Ratsherren nun in Wirklichkeit gegeben hat: Wahr und traurig ist, dass am 26. Juni im Jahre 1284 sage und schreibe 130 Kinder aus dem Städtchen Hameln verschwunden sind, wie man in der alten Stadtchronik von Hameln nachlesen kann …